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Eine Woche Job Shadowing mit Zephania

Zephania, es war mir eine Freude, dich zu begleiten. Zuerst kommt die naheliegendste aller Fragen: Wie hat es dir in Deutschland gefallen?

Ich fand die Menschen in Hannover und anderen Orten sehr höflich. Sie waren wirklich hilfsbereit, viel mehr als ich dachte. Ich erinnere mich an einen Mann – er sah aus wie ein Rockmusiker -, der im Restaurant an meinen Tisch kam, nur um mich zu begrüßen und mich zu fragen, ob wir einen kurzen Plausch halten könnten. Das hat mich wirklich überrascht. Ein anderes Mal habe ich mich mitten in der Stadt verirrt und ein Fremder half mir, den richtigen Weg zu finden. Das war so freundlich. Ein weiterer Aspekt ist, dass mir der Hang der Deutschen zu Qualitätsprodukten auffiel. Das ist wichtig für die Nachhaltigkeit von Kreisläufen und nicht zuletzt für die Sicherheit der Verbraucher, Abnehmer oder Kunden. Auch die deutsche Infrastruktur ist im Vergleich zu Ostafrika weiter fortgeschritten.

Dies war dein erstes Mal in Europa. Unsere Leser werden sich für deine Gedanken zu den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Afrika und Europa und insbesondere Ostafrika und Deutschland interessieren.

Die meisten Industrieländer betrachten Afrika als strategischen Partner, politisch wie wirtschaftlich. In letzter Zeit haben wir aber gesehen, dass asiatische Länder wie China und die Türkei die Partnerschaften mit ostafrikanischen Märkten dominieren. Die politischen Beziehungen sind sogar enger als mit denen Europas, weil sich diese Länder im Vergleich zu ihren früheren Kolonialherren als gute Freunde Afrikas erwiesen haben. Auch die Unterstützung von Unabhängigkeits- und Entwicklungsprojekten durch China spielt eine große Rolle. Es gibt aber noch ein weiteres Thema: Die Wirkung des Brexit dürfte für die afrikanischen Länder, die über Großbritannien Zugang zum EU-Markt haben, eine große Herausforderung darstellen, zum Beispiel für Kenia und Südafrika. Wenn Großbritannien jedoch seine Beziehungen zu den afrikanischen Ländern und den Mitgliedern des Commonwealth weiterhin stärkt, könnte man als Gewinner vom Platz gehen und seine Wirtschaft aufrechterhalten. Nun müssen die europäischen Länder und insbesondere Deutschland außerhalb des EU-Marktes strategische Wege finden, um die Beziehungen zu uns wiederzubeleben. Ich ermuntere unsere (ost)afrikanischen Unternehmen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um in den EU-Markt zu exportieren und einen Mehrwert für ihre Produkte zu schaffen, anstatt bloß Rohstoffe zu exportieren. Lassen Sie uns dann im Gegenzug die Technologie importieren und an unsere Bedürfnisse anpassen und für die Verarbeitung unserer Rohprodukte nutzen, von denen wir profitieren. Wir sollten aber nicht nur der Kontinent des Imports sein, es muss ein Gleichgewicht des Austauschs herrschen.

Kannst du für unsere Leser zusammenfassen, was du in deiner Woche Job Shadowing alles getan hast?

Meine Aufgabe in Hannover und in anderen Bundesländern war es, mich mit internationalen Handelsministerien, Wirtschaftsverbänden und privaten Unternehmen zu treffen, um den deutschen Markt kennenzulernen und Beziehungen aufzubauen. Ich fühle mich geehrt, in dieser Woche großartige Menschen getroffen zu haben. In der IHK fand ein Einführungsgespräch mit Tonio Boer statt, gefolgt von einem politischen Tag in der Staatskanzlei und im Wirtschaftsministerium des Landes Niedersachsen. Ich habe gelernt, dass diese Bundesländer viel wichtiger sind, als sie zunächst im Ausland scheinen mögen. Sie spielen tatsächlich eine entscheidende Rolle im politischen System Deutschlands. Ich traf auch Vertreter der Deutschen Management Akademie und Herrn Ralf Pohle, Exportberater bei Food made in Germany und Vertreter anderer privater Unternehmen wie TransPack in Kulmbach. Ich habe viel über die Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland und ihre Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gelernt.

Was hältst du von einem solchen Ansatz als Methode, wenn es darum geht, Einblicke in die deutsche Wirtschaft zu erhalten?

Solche Programme sind gut, jedenfalls wenn sie wie meines gut konzipiert wurden, um ausgewogene Ansichten zu vermitteln. Insbesondere die Treffen mit verschiedenen Interessengruppen und Entscheidern aus Regierung, Handelskammern, Verbänden, Bildungseinrichtungen und privaten Unternehmen sind wichtig. Wir haben viel darüber gesprochen, was für KMU in Tansania getan werden könnte. Ein Aspekt war, dass für KMU mehr Kapital zur Verfügung gestellt werden muss, um beispielsweise Produktionsstätten zu errichten, die schnell wachsen müssen. Ich rate ihnen zudem, für ihre Geschäftsmodelle Originalgerätehersteller (OEM) zu verwenden, was einfach bedeutet, ein gut etabliertes Unternehmen als Partner zu nutzen, um die selbst entworfenen Produkte und Marken unter deren Namen herzustellen. KMU können das für Agrarerzeugnisse tun, die leicht verfügbar sind und wenig Kapital benötigen.

Du arbeitest bei CTI, Verband der tansanischen Industrie in Dar es Salaam. Wie können deiner Meinung nach tansanische oder ostafrikanische Unternehmen besser mit deutschen Unternehmen vernetzt werden oder ostafrikanische Unternehmen einen besseren Zugang zum europäischen Markt erhalten?

Zunächst müssen Unternehmen vor dem Zugang zum EU-Markt die Bedürfnisse und Standards von Unternehmen, Kunden und Verbrauchern auf den EU-Märkten verstehen. Dies wird dazu beitragen, ob und dass ihre Produkte auf dem Markt akzeptabel sind. An der Management Akademie sprachen wir über das Potenzial von Früchten, die in unserer Region gut wachsen, aber nicht in Europa. Viele von ihnen kommen aus Ländern, die weiter entfernt sind als Tansania, wie Costa Rica. Aber im Allgemeinen gibt es viele Möglichkeiten, wie Unternehmen Zugang zum Markt erhalten können: Zum einen durch Unternehmerreisen und die Teilnahme an Messen, zum anderen durch die Nutzung der Botschaften, um sich über Investitionen und Exportmöglichkeiten zu informieren. Drittens auch durch Entwicklungsprogramme wie Creativing Perspectives der GIZ.

Und nun die letzte Frage: Wann kommst du wieder?

Ja, ich möchte auf jeden Fall zurückkommen und mehr lernen. Ich weiß noch nicht, wann das sein wird, aber ich bin mir ganz sicher.

Vielen Dank für dieses Interview, Zephania.

Job Shadowing ist ein effektiver Ansatz während der Einarbeitungsphase eines neuen Mitarbeiters, den wir immer wieder empfehlen. Während manche Unternehmen oder Jobs den Sprung ins kalte Wasser erfordern, kann es sinnvoll sein, ihm zunächst einen 360° Blick zu ermöglichen. Sich der Interessen, Motivationen und Ziele der einzelnen Kollegen und Abteilungen bewusst zu werden, kann Fehlwahrnehmungen oder gar -entscheidungen vorbeugen.

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