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Spiel … Satz… fast geschafft!

Von Jörg Kleis

Viele Unternehmen führen ihre Interviews online durch – die meisten von ihnen, bevor sie dich zu einem persönlichen Gespräch einladen. Andere Unternehmen machen mittlerweile ihre gesamten Auswahlgespräche online. Das liegt ganz einfach daran, dass ein solches Verfahren für den Arbeitgeber günstiger ist, als deine Reisekosten zu bezahlen. Auch für dich als Bewerber ist es einfacher, direkt von zu Hause aus das Interview durchzuführen. Dennoch gibt es einige wichtige Unterschiede zwischen einem persönlichen und einem “digitalen” Interview. Wie immer geht es um Atmosphäre, Persönlichkeit und natürlich Inhalt. Das heißt, wenn du hier liefern kannst, hast du sehr gute Karten. Los geht’s.

ATMOSPHÄRE

1 Sei unbedingt pünktlich.

Dies ist nicht wörtlich zu nehmen. Sei also nicht auf die Minute genau pünktlich, sondern lieber 15 Minuten vor Beginn des Interviews online. Bist du dir sicher, wann das Interview wirklich beginnt? Überprüfe besser noch einmal den Nachrichtenverlauf mit deinem neuen Arbeitgeber, dann deinen Kalender und dann die Software, über die das Interview stattfinden wird. Ausreden wie „Ihre E-Mail ist in meinem Spam-Ordner gelandet” ziehen hier nicht mehr.

Weiter geht’s: Findet das Interview auf Skype statt? Auf Google Hangouts, WhatsApp? Hast du die Nummer, Adresse oder ID deines Gesprächspartners? Wichtig ist als nächstes, dass du deine WLAN-Verbindung kontrollierst, zum Beispiel durch einen Testanruf bei einem Freund – am besten in demselben Raum, in dem du später das Interview durchführen willst.

Warum all das wichtig ist? Ganz einfach: Es ist schon der erste Schritt zum neuen Job. Indem du eine stabile Verbindung und einen Anruf in einer ruhigen Umgebung ermöglichst, demonstrierst du deine Fähigkeit, andere alltägliche Aufgaben auszuführen. Wenn nicht, dann nämlich nicht. So ist das.

2 Sei direkt und ehrlich.

Du solltest zeigen, dass du HerrIn der Lage bist, gerade bei deutschen Arbeitgebern für einen Job in Deutschland. Das heißt, du solltest jegliches Multitasking sein lassen. Wenn du deinen Computer für das Interview benutzt und gleichzeitig dein Telefon klingelt, ist das schonmal nicht gut. Wenn du dann auch noch den Anruf annimmst, ist das eigentlich schon ein Grund, dich nicht einzustellen.

Du musst auch dafür sorgen, dass niemand das Zimmer betritt, während das Interview läuft. Was also, wenn du die oben genannten Dinge nicht gewährleisten kannst? Dann solltest du rechtzeitig absagen. Sei also einfach direkt und ehrlich. Lass die HR-Abteilung oder die Geschäftsführerin wissen, dass du die Lage gecheckt hast, aber aufgrund eines bestimmten Grundes nicht garantieren kannst, dass das Interview ordentlich durchgeführt werden kann.

Am besten schickst du direkt eine Liste mit Alternativterminen hinterher. Das heißt übrigens nicht, dass du durchfallen wirst. Vielmehr stellt es deine professionelle Einstellung zum Job unter Beweis und ist in jedem Fall besser, als an dieser Stelle irgendetwas zu riskieren. “Tut mir leid, ich dachte, ich hätte noch genug Datenvolumen auf meinem Handy” oder ähnliche Ausreden werden dich nicht retten. Die Frage ist also wie immer: Was würdest du tun, wenn das schon eine echte Situation im neuen Job wäre? Wenn du in deinem Zimmer bist und vergessen hast, lustige Gegenstände wegzulegen, ist es auch okay, darüber zu schmunzeln, solange es dich nicht aus der Bahn wirft.

3 Sei hörbar und sichtbar.

Bei einem Online-Interview geht es darum, das persönliche Treffen so gut es geht zu simulieren. Du musst also irgendwie kompensieren, dass du nicht gemeinsam mit dem Personaler in einem Zimmer sitzt. Deshalb ist es ratsam, Kopfhörer (z. B. ein Kabel-Headset) zu benutzen, um ein Hallen und sonstige unangenehme Geräusche zu vermeiden. Es ist in Ordnung, das eigene Smartphone für das Interview verwenden, besonders wenn es mehr RAM oder CPU-Leistung als dein Laptop hat – solange du es stabil auf dem Tisch platzierst. (Auf keinen Fall in den Händen halten!)

Es ist zudem angenehmer für den Zuschauer, wenn der oder die Gegenüber eine horizontale statt einer vertikalen Bildschirmeinstellung verwendet. Wenn dann noch dein Kopf den Bildschirm mit einem direkten Blickwinkel auf den Bildschirm ausfüllt und du für ordentliche Beleuchtung sorgst, kannst du loslegen.

PERSÖNLICHKEIT

4 Dress for Success.

Wir haben schon so viel gesehen (Schlafanzüge, Vogelnester im Haar nach dem Aufwachen, …), so dass es an dieser Stelle ein für allemal klargestellt werden sollte: Wer sich schön macht, fühlt sich auch so. Das bezieht sich natürlich auch auf schicke Kleidung. Wie bei einem persönlichen Vorstellungsgespräch muss das eigene Outfit also zumindest dem Grad an Seriosität entsprechen, das die Stelle, auf die man sich bewirbt, erfordert. Wenn du also nicht gerade als Grafikdesigner in einem hippen jungen Startup anfangen willst, ist es meist besser, zu konservativer Business-Kleidung zu tendieren. Übrigens, wenn du dich entscheidest, eine Krawatte zu tragen, sollte der Knoten perfekt gebunden und darauf keine lustigen Cartoon-Figuren zu sehen sein. (Alles schon passiert.)

5 Freundlich, geduldig und gut gelaunt.

Das sind die drei wesentlichen Eigenschaften, die man mitbringen sollte. Denn wer auch immer das Interview mit dir machen wird, hat dich noch nie getroffen. Der Job dieser Person ist es herauszufinden, ob du ins Team passt. Und da du bereits durch deine Bewerbung ihre Aufmerksamkeit auf dich gezogen hast, wird das Thema deiner Formalqualifikation eine wohl eher untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr wird dein Gegenüber wissen wollen, wer du bist, wie du tickst und dich bestimmt auch hier und da herausfordern. Wichtig ist, dass du zeigst, dass es “menschelt”, du also ein zugänglicher, offener Mensch bist.

INHALT

6 Kenne deinen Arbeitgeber.

Das Wichtigste gleich am Anfang. Du musst die Sprache deines Arbeitgebers sprechen. Du musst das Unternehmen kennen, und daran führt kein Weg vorbei. Selbst wenn du noch nie in der Branche gearbeitet hast, musst du wissen, was das Unternehmen tut – von A wie Ackerbau bis Z wie Zeltverleih. Du musst ihr Geschäftsmodell kennen, die Software, die im Unternehmen verwendet wird, ihre Kunden, die Kunden ihrer Kunden, ihre Märkte, Zahlen, Ziele und ihre Unternehmenskultur. War die Firma in letzter Zeit in den Nachrichten? Und worum ging es? Bitte sei hier nicht unvorbereitet. Dazu musst du nicht gleich Grundlagenforschung in der Bibliothek betreiben. Wie im wirklichen Leben reicht eine saubere und reflektierte Recherche über YouTube und Google.

7 Antworten richtig geben.

Es kann sein, dass du an einer Stelle keine Antwort auf eine Frage weißt – und das ist absolut in Ordnung. Du bist schließlich kein Roboter. Wenn du also die Antwort auf eine wissensbasierte Frage nicht kennst, musst du darauf antworten, wie du die Antwort auf die Frage herausfinden würdest. Das heißt, du stellst deine methodischen Fähigkeiten unter Beweis. (Wenn du also nicht weißt, wie viele Füße ein Tausendfüßler hat, sagst du, dass du deine Tante, die Biologielehrerin, anrufen würdest. So oder so ähnlich zumindest.).

Wenn du eine Frage (akustisch) nicht verstanden hast, kannst du ruhig fragen, ob sie wiederholt werden kann. Wenn du Zeit für eine Antwort brauchst, ist es auch völlig okay. Einige Sekunden über eine Antwort nachzudenken, sie im Kopf zu strukturieren und dann eine klare Antwort zu geben, ist legitim und mitunter sogar gerne gesehen. Solange du die Reihenfolge deiner Aussagen und Argumente logisch aufbaust, deutlich und langsam sprichst, ist alles gut. Hauptsache, du vermittelst nicht den Eindruck, die personifizierte Verworrenheit zu sein. Drücke dich in deinen Worten aus, Schritt für Schritt. Und lächle.

8 Bleibe ruhig und genieße.

Cool bleiben und die Körperspannung halten – das ist zwar einfacher gesagt als getan, aber ebenfalls wichtig. Nicke auch bitte nicht mit dem Kopf, während man dir eine Frage stellt, so als ob du die Frage bereits gehört hättest oder meinst zu wissen, was für eine Frage kommt. (Das kann für den Recruiter ziemlich nervig sein.). Benutze ruhig auch deine Hände, aber in einem kleineren Rahmen (Radius) als bei einem persönlichen Gespräch, weil bei der Bildschirmübertragung sich bewegende Objekte unruhig wirken können.

Wenn die Recruiterin wiederum viele Fragen stellt, ist das ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass sie neugierig ist und herausfinden will, wie gut du wirklich bist. Denke auch daran, dass ihr das Interview genauso Spaß machen soll wie dir. Sie hat wahrscheinlich schon fünf Leute am selben Tag vor dir interviewt.

Umgekehrt solltest du auch einige Fragen vorbereiten, die du am Ende des Interviews stellen wirst. Fragen zu deiner Rolle, deinen Aufgaben, deinen Vorgesetzten oder anderen Teammitgliedern sind immer gut. Es zeigt, dass du Interesse hast und vorbereitet bist. Wie alles im Leben wird auch jedes Online-Interview seine Höhen und Tiefen haben (hoffentlich mehr Höhen als Tiefen), die deine Stärken und Schwächen offenbaren werden. Wie gesagt, das ist absolut in Ordnung, denn du bist kein Roboter. Also lass dich davon nicht entmutigen. Und jetzt wünschen wir dir viel Spaß beim Online-Interview.

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